Arbeitsweise - Wolfgang Rau 2019

Direkt zum Seiteninhalt
So arbeitet der Stadtrat

Der überwiegende Teil der vom Stadtrat zu bearbeitenden Themen wird von der Stadtverwaltung eingebracht. Dies geschieht mithilfe von Beschluss-, Beratungs- und Informationsvorlagen. Darin sind die Sachverhalte mehr oder minder ausführlich beschrieben. Beschlussvorlagen enthalten zudem einen Entscheidungsvorschlag und eine Reihe weiterer obligatorischer Informationen, insbesondere zu finanziellen Auswirkungen. In der Regel müssen Beschlussvorlagen den Stadtratsmitgliedern 14 Tage vor einer Ausschuss- bzw. Ratssitzung zugegangen sein. Eilvorlagen, bei denen diese Frist aus wichtigem Grund unterschritten werden kann, sind selten. Nahezu alle Vorlagen sind zunächst im internen „Portal für Mandatsträger“ und 2 Wochen vor der finalen Beschlussfassung auch im öffentlichen Ratsinformationssystem unter www.zwickau.de zugänglich. Die Informationsmöglichkeiten für die Bevölkerung sind also sehr gut.

Verwaltungsvorlagen werden fast immer zunächst in die zuständigen Fachausschüsse eingebracht. Ein Teil davon wird auch dort entschieden. Beratungen zu Vorlagen, über die Ausschüsse entscheiden, sind bis auf wenige Ausnahmen öffentlich. Meist finden sich jedoch nur Medienvertreter ein. Befassen sich mehrere Ausschüsse mit einer Vorlage, ist einer davon federführend und trifft die Letztentscheidung. Die anderen beteiligten Ausschüsse geben in diesem Fall lediglich Empfehlungen ab. Ausschussempfehlungen können dem Verwaltungsvorschlag folgen, ihn verwerfen aber auch Abänderungen des Beschlusstextes vorschlagen. Die Empfehlungen sind für den Stadtrat nicht bindend, spielen aber für dessen Beschlussverhalten meist eine entscheidende Rolle.

Große Bedeutung im Vorfeld von Entscheidungen haben die Fraktionssitzungen. Sie finden in der Regel ein- bis zweimal monatlich statt und dienen in erster Linie der Meinungsbildung zu den einzelnen Sachverhalten. Besprochen werden auch strategische Fragen bezüglich des Verhaltens in Rats- und Ausschusssitzungen, bedeutsame Redebeiträge, wichtige zu stellen der Anfragen sowie eigene Initiativen die vorbereitet bzw. eingebracht werden sollen. Oft sind neben den Stadträten und den Mitarbeitern der Geschäftsstellen auch beratende Bürger und eingeladene Fachleute anwesend. Manche Fraktionen deklarieren ihre Sitzungen bzw. einen Teil davon als öffentlich. An der Fraktionsarbeit völlig unbeteiligte Bürgerinnen und Bürger sind jedoch nur selten anwesend.

Sprengen die Auswirkungen von Sachentscheidungen einen bestimmten, in der Hauptsatzung vorgegebenen finanziellen Rahmen, werden sie in den Fachausschüssen nur vorberaten. Das gilt u. a. auch für Ortsrecht, Bebauungspläne sowie Konzeptionen von strategischer Bedeutung. Entschieden werden solche Dinge dann in einer Sitzung des Stadtrates. Alle vorherigen Ausschussberatungen sind in diesem Fall nicht öffentlich. Das hat seine Ursache in den Vorgaben der Sächsischen Gemeindeordnung, die die Meinungsbildung der Stadträte vor Druck und Einflussnahme von außen schützen möchte. Allerdings wäre es nicht selten besser, wenn der Ausschuss selbst über die Zulassung der Öffentlichkeit entscheiden könnte.

Ein wenig anders läuft das Verfahren bei Anträgen der Fraktionen. Diese werden in der Regel zwecks öffentlicher Vorstellung gleich in den Stadtrat eingebracht. Sie werden aber zumeist nicht sofort entschieden, sondern von der Oberbürgermeisterin in die Fachausschüsse verwiesen. Nach den Beratungen dort kommen sie dann wieder zur Entscheidung in den Stadtrat. Auch hier sind die Vorberatungen nicht öffentlich. Sehr komplexe oder umstrittene Vorlagen und Anträge können in den Ausschüssen mehrere Lesungen erfahren. Zumeist werden die Beschluss Vorschläge im Laufe der Beratungen dann abgeändert.

Bestandteil sowohl jeder Rats- als auch fast jeder Ausschusssitzung sind die Anfragen der Stadträtinnen und Stadträte. Durchschnittlich wurden in den Jahren 2014-2019 (5. Legislaturperiode) jährlich 352 davon gestellt. Die Verwaltung hat jeweils vier Wochen Zeit zur Beantwortung. Meist geht es jedoch schneller, insbesondere wenn die Fragen vorab eingereicht werden. Nicht immer ist die Qualität der Antworten zufriedenstellend. Dann wird oft nachgehakt. Das Fragerecht steht im Übrigen allen Bürgerinnen und Bürgern zu, nicht nur im Rahmen der Einwohnerfragestunde. Oft wenden sich die Menschen aber unmittelbar an die Stadtratsmitglieder als „Relaisstation“, weil sie sich davon eine schnellere und qualifiziertere Beantwortung und manchmal auch eine gewisse Öffentlichkeitswirksamkeit erhoffen.

Die weitaus meisten Entscheidungen im Stadtrat und seinen Ausschüssen werden mit großer Mehrheit oder gar einstimmig getroffen. Das hat mehrere Gründe. Viele Vorlagen beinhalten Routinevorgänge, die aber mit einem Stadtratsbeschluss abzuschließen sind. Andere Entscheidungen sind auf der Grundlage gesetzlicher Vorgaben zu treffen, die kaum Spielräume lassen. Schließlich sind auch viele Entscheidungsvorschläge der Verwal-tung so ausgereift, dass von den Fraktionen kein Nachbesserungsbedarf mehr gesehen wird.

Es gibt aber auch immer wieder heftig umstrittene Themen, die teils über Jahre politischen Zündstoff liefern. Beispiele hierfür sind die Ausgestaltung und Organisation der städtischen Wirtschaftsförderung, die Straßenbahnverbindung zwischen Hauptbahnhof und Marienthal oder das Zulassen großer Einzelhandelsstandorte außerhalb des Zentrums. Umstritten sind auch viele Fraktionsanträge, da diese nicht selten stärker durch politische Zielsetzungen geprägt sind, als die Mehrheit der Verwaltungsvorlagen.

Ein weiteres Feld, wo politische Unterschiede teils deutlich zutage treten, ist der städtische Haushalt. Hier geht es nicht nur um das eine oder andere Einzelvorhaben im kommenden oder übernächsten Jahr (seit 2019 hat Zwickau einen Doppelhaushalt), sondern auch um Prioritätensetzungen im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung. Trotz erheblicher Differenzen ist es in den letzten Jahren immer gelungen, einen mehrheitsfähigen Haushalt hinzubekommen. Allerdings gelang das nur, weil Zwickau noch auf Rücklagen aus „fetten“ Gewerbesteuerjahren und dem Verkauf kommunaler Wohnungen zurückgreifen konnte. Künftig dürfte das nicht mehr so einfach möglich sein.

Organisatorische Grundlage für die Arbeit des Stadtrates ist seine Geschäftsordnung. Hier ist von A, wie Anträge, bis Z, wie Zusammenschluss zu Fraktionen, fast alles geregelt, was den Geschäftsgang des Stadtrates beeinflusst. Mit der Geschäftsordnung souverän umgehen zu können, ist eine nicht unwichtige Voraussetzung für politischen Erfolg. Manchmal kann z. B. schon ein erfolgreich beantragtes Ende der Debatte deren Ausgang und die folgende Sachentscheidung maßgeblich beeinflussen. Gleiches gilt für die Reihenfolge von Redebeiträgen oder die Wahl einer bestimmten Abstimmungsform.

Es ist eine gute Sache, dass die Sitzungen des Zwickauer Stadtrats seit vielen Jahren im lokalen Fernsehen übertragen werden. Dank Internet und Wiederholungen kann man sie sich auch nachträglich ansehen. Und so nehmen viel mehr Menschen am lokalpolitischen Geschehen Anteil, als anfangs gedacht. Es kommt daher gar nicht selten vor, dass man beim Einkaufen oder anderswo nach Hintergründen, Auswirkungen und der eigenen Position bezüglich dieser oder jener Ratsentscheidung gefragt wird. Aber genau das, die direkte Rückkopplung zu den Bürgerinnen und Bürgern, macht Kommunalpolitik so spannend. Ehe man es sich in einer Filterblase gemütlich machen kann, zerplatzt sie. Und das ist gut so.

Zurück zum Seiteninhalt